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Gemeinsame Stellungnahme

Wir brauchen dringend mehr Plasmaspenden – Plasmapräparate werden knapp

Gemeinsame Stellungnahme von immunologischen Fachgesellschaften und dem Ärztenetzwerk FIND-ID

Wir brauchen dringend mehr Plasmaspenden – Plasmapräparate werden knapp

Plasmapräparate sind einzigartige biologische Arzneimittel, die zur Behandlung einer Vielzahl von seltenen, zum Teil lebensbedrohlichen chronischen Erkrankungen verwendet werden, wie z.B. der Hämophilie oder primären (angeborenen) Immundefekten. Das Ausgangsmaterial für Plasmapräparate ist menschliches Plasma, das von freiwilligen Spenderinnen und Spendern gewonnen wird.

Kritisch entwickelt sich die Lage insbesondere bei den Immunglobulinen. Auf diese sind Patientinnen und Patienten mit primären und sekundären Immundefekten dringend angewiesen, aber auch solche mit bestimmten autoimmunologischen oder autoinflammatorischen Erkrankungen. Die ersten Immunglobulin-Präparate wurden bereits auf der BfArm-Liste mit Lieferengpässen für Humanarzneimittel in Deutschland als nur eingeschränkt verfügbar gemeldet. Es ist zu befürchten, dass wir Ärztinnen und Ärzte in absehbarer Zeit nur noch eine eingeschränkte Auswahl an Präparaten − und diese auch nur in begrenzter Menge − für die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten zur Verfügung haben werden. Die Immunglobulinsubstitution kann für Patientinnen und Patienten mit Immundefekt ähnlich wichtig sein wie Insulin für Diabetikerinnen und Diabetiker.

Das Problem: Während der weltweite Bedarf an Immunglobulinen und damit an Spenderplasma in den vergangenen Jahren um jährlich etwa zehn Prozent gestiegen ist, ist die Zahl der Plasmaspenden im letzten Jahr Pandemie-bedingt um 20 bis 30 Prozent eingebrochen, sowohl in Europa als auch in den USA. Der mit diesem Einbruch einhergehende Mangel an Spenderplasma mündet nun, mit einer produktionsbedingten Verzögerung von sieben bis zwölf Monaten, in eine beginnende Unterversorgung mit lebenswichtigen Plasmapräparaten wie den Immunglobulinen. Die aktuelle Versorgungslage verschärft die ohnehin große Abhängigkeit Europas von Plasmaimporten aus den USA nur noch weiter. Wir Ärztinnen und Ärzte bekommen derzeit Meldungen von Patientinnen und Patienten, dass ihre Präparate in den Apotheken nicht verfügbar sind.

Als Ärztinnen und Ärzte, die in Deutschland betroffene Patientinnen und Patienten behandeln, betrachten wir diese Entwicklung mit großer Sorge und möchten nicht tatenlos zusehen.

Langfristig kann die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten nur gesichert werden, wenn es gelingt, die einheimische, d.h. europäische Plasmaspende, zu fördern und so die Abhängigkeit von den USA schrittweise zu reduzieren. Dies wird ohne politische Maßnahmen nicht gelingen. Wir fordern daher schnellstmöglich politische Unterstützung für diese Ziele:

Mehr Plasmaspenden, mehr Plasmaspendezentren, gezielte Aufklärungskampagnen

Im Einzelnen würde das bedeuten,

  • Spenderauswahlkriterien dem aktuellen Stand der Wissenschaft anzupassen und damit die Zahl potenzieller Plasmaspenderinnen und Plasmaspender zu erhöhen
  • neue auf Plasmapherese spezialisierte Zentren zu schaffen, um mehr Plasmaspender wohnortnah zu erreichen
  • gezielt Anreize für die Plasmaspende zu setzen – zum Beispiel über eine angemessene Aufwandsentschädigung, da gerade junge und berufstätige Spenderinnen und Spender ihren Arbeitsplatz für die Spende für mehrere Stunden verlassen müssen

Flankierend dazu bedarf es gezielter, idealerweise vom Bund finanzierter Aufklärungskampagnen, um mehr Menschen als Plasmaspenderinnen und Plasmaspender zu gewinnen. Hierbei könnte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eine zentrale Rolle spielen.

Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass eine angemessene, individuelle, an die einzelnen Patientinnen und Patienten angepasste Behandlung nur dann gewährleistet werden kann, wenn die Auswahl an zur Verfügung stehenden Immunglobulin-Präparaten in keiner Weise eingeschränkt wird.

Unterstützen Sie unser Anliegen und damit Patientinnen und Patienten mit angeborenen und erworbenen Immundefekten sowie Autoimmunerkrankungen/autoinflammatorischen Erkrankungen in dieser schwierigen aktuellen Versorgungssituation!

Die Unterzeichner

Prof. Dr. med. Volker Wahn
Sprecher des Deutschen Ärztenetzwerks FIND-ID

Prof. Dr. Stephan Ehl
Präsident der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Immunologie

Dr. med. Kirsten Wittke
Vorsitzende des Arbeitskreises Immundefekte und Immundysregulation
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V.

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